Hej Sister!
„Schaut euch den tollen Blick hier runter an! Da wusste ich gleich, hier bleib ich!“, sagt Schwester Tekla und zeigt unserer Pilgergruppe, bestehend aus Co-Workern und Team der Villa Gründergeist und mir von ANKERPLATZ-FFM wie grandios schön der Rheingau ist. Auch das wunderbar sonnige Wetter, das lecker Essen im Kloster-Café, das erhellende Gespräch mit Schwester Tekla und die tolle Gemeinschaft machen aus dem Pilgertag ein wundervolles Ereignis.
Aber jetzt der Reihe nach. Die Idee von Villa Co-Worker Sishan, einen Tag im Rheingau zu pilgern, stößt bei Miriam Penkhues, Leiterin der Villa Gründergeist auf offene Ohren. Am 6. Juli war es dann soweit. Per Zug ging es, vorbei an Schlössern und Burgen und dem gemächlich dahinfließenden Rhein nach Rüdesheim.
Angekommen in dem wuseligen Touri-Städtchen gibt es noch einen kurzen geistigen Impuls. Doch dem inneren Drang, uns auszutauschen und unsere Eindrücke zu schildern, dürfen wir nicht nachgeben. „Schweigepilgern“ heißt das Ganze und bedeutet, dass wir bis zur Ankunft knappe zwei Stunden später mit unseren Gedanken alleine bleiben. Gar nicht so einfach. Meine Gedanken kreisen um die Arbeit und die vielen Dinge, die noch zu erledigen sind, über Termine und volle Kalender. Doch schließlich lässt die Anspannung nach. Es überwiegen die Freude an dem Treffen mit tollen Leuten und die Aussicht auf ein lecker Stück Kuchen im Klostercafé.
In der Klosterkirche dürfen wir dann an dem Gebet der Schwestern teilhaben. Die kühle stille Kirche wirkt beruhigend und wir bekommen langsam eine Vorstellung davon, wie es ist, an so einem Ort zu leben und zu arbeiten.
Benediktinerinnen Abteil - St. Hildegard
Wer selbst mal die St. Hildegard Abteil besuchen will hat von Frankfurt aus gute Möglichkeiten. In einer guten Stunde geht es vom Hauptbahnhof mit dem Zug nach Rüdesheim. Von dort ist es noch eine gute Stunde zu Fuß durch die Weinberge. Oben in der Abtei gibt es ein Café mit leckeren kleinen Gerichten, sowie einen Laden, der Tees, selbst angebaute Weine sowie eine Menge christliche Literatur anbietet. Die Stundengebete sind offen, für alle. Die wunderschöne, 1900 erbaute Abteilkirche lohnt auch außerhalb der Gebetszeiten einen Besuch. Wer sich über die Abtei, den Betrieb oder das Gästehaus schlau machen will, findet auf der Website viele Infos: https://abtei-st-hildegard.de/ Wer auf den Geschmack gekommen ist und mit dem Gedanken spielt, in den Orden einzutreten, findet dort auch jede Menge nützliches.
Bei einer grandiosen Nussecke als Nachtisch empfängt uns Schwester Tekla, die unsere gefühlt eine Millionen Fragen zum Klosterleben mit nordischer Gelassenheit beantwortet. Vieles, so erfahren wir, habe sich auch im Kloster geändert. Weil Hosen auf dem Weinberg-Trecker praktische sind, würde auch mal auf den Habit, also das traditionelle Gewand, verzichtet. Auch die Klausur, also das Bereich, in dem sich die Schwestern aufhalten, sei inzwischen ausgeweitet. Ebenso sei auch Urlaub inzwischen drin. „Aber Malle passt halt nicht so ins Klosterleben.“ schränkt Schwester Tekla ein. Dennoch, das Kloster sei kein Gefängnis. Und für wen es nicht das Richtige sei, könne auch wieder aussteigen. Auf die leichte Schulter genommen wird die „ewige Profess“, also das Versprechen der lebenslangen Zugehörigkeit zum Kloster jedoch nicht. Bis zu neun Jahren könne der Prozess der Aufnahme dauern.
Ankerplatz-ffm - nachdenklich
Den Co-Workern aus der Pilgergruppe ist das Klosterleben eher fremd. Morgens um fünf raus, Habit und Klausur sind kaum das, wovon sie träumen. Andererseits, ein garantiert festes Dach über dem Kopf, kein Stress mit Wohnungsuche, kein Ärger mit absurd hohen Mieten, keine Sorgen wegen notwendiger Rentenzahlungen, die vom eigenen Sozialunternehmen kaum gestemmt werden können, machen auch nachdenklich. Dazu kommen noch die permante Unsicherzeit, ob es mit dem eigenen Unternehmen weitergeht, ob es mit der notwendigen Förderung klappt und ob das nächste Gehalt sicher ist. Ist das Klosterleben im Vergleich vielleicht besser, als gedacht? www.ankerplatz-ffm.de ist die Arbeitswelt Initiative des Bistum Limburg. Kontakt: Jörg Heuser, heuser@stadtkirche-ffm.de
Eigentlich sei sie ja aus Bremen, berichtet uns Schwester Tekla, aber der Weg ins Kloster habe die damals 23-jährige eben in den Rheingau geführt. Dass dies offensichtlich keine schlechte Entscheidung für sie war, spüren wir sofort. Denn Tekla ist die Ruhe und Gelassenheit in Person. So erzählt sie uns geduldig vom Alltag im Kloster, vom früh aufstehen, dem Ora et labora, also dem Beten und Arbeiten und, wie sie betont, der kontinuierlichen Weiterbildung, die ebenfalls fest ins Klosterleben gehöre. Das Beten konnten wir schon erleben, aber es war nur ein kleiner Ausschnitt. Denn die sogenannten Stundengebete strukturieren den Tag und unterbrechen zudem die Arbeit, die erst an zweiter Stelle kommt.
Das Kloster wolle sich selber finanzieren und das heißt, dass sieben Hektar Weinberg bewirtschaftet werden müssen. Zudem gehören noch ein Klosterladen, ein Café, mehrere Einzelbetriebe und ein Gästehaus zu den Erwerbsquellen. Und dann geht es für uns in die anderen „Heiligen Hallen“, die Weinkeller des Hauses. In dem wunderbar kühlen Keller stehen sauber aufgereiht gut zwei Dutzend Stahltanks und nebenan die traditionellen Holzfässer. Wir erfahren, wie viele Schritte notwendig sind, um aus den Trauben lecker Wein zu machen, wie Weiß- Rosé- und Rotweine gekeltert und ausgebaut werden und auch wie sich der Klimawandel auf den Anbau auswirke. Mit Schwester Tekla, der gelernten Winzerin, haben wir eine ausgewiesene Expertin an der Hand. Ich merke, wie ich beim nächsten Entkorken einer guten Flasche mit noch mehr Respekt vor der Arbeit, die dahinter steckt, über den Inhalt nachdenken werde.
Nach den super spannenden Einblicken in den Klosterbetrieb geht es ans Schoppen in den hübschen Kloster-Laden und danach auf den Rückweg.
Sehr schön war es! Das Wetter hat mitgespielt, es gab viel Zeit für den Austausch und auch das Schweigen war ein schöne Auszeit aus dem sonst durchgetaktetem Alltag der Sozialunternehmerinnen und –unternehmer. Gerne wieder!